Einführung in die Harmonielehre

Wie entstehen die Harmonien in einem Musikstück? Wie kommt man bei einer Melodie oder Basslinie auf die passenden Akkorde?

Dieser Beitrag möchte eine Möglichkeit aufzeigen, sich diesem Thema zu nähern.
Dabei soll es ausschliesslich um traditionelle, tonale Musik gehen. Die hier dargestellten Zusammenhänge sind als aus einer existierenden Musikpraxis extrahiert zu verstehen und weniger als Grundlage zur Entstehung dieser.

Teil 1: Vorbetrachtungen

1. Wir nehmen die Oktave als strukturgebenden Raum an, welcher diatonisch, also mit Ganz- und Halbtonschritten, aufgefüllt ist. Der Einfachheit halber orientieren wir uns an der Dur-Tonleiter.

In diesem Beispiel befinden wir uns in C-Dur und sehen die Tonleiter als den verfügbaren Tonvorrat an. Der erste und letzte Ton ist jeweils der Grundton.

2. Jeder Ton wird numeriert, wir verwenden römische Ziffern.

Es entstehen acht Stufen.

3. Auf jeder Stufe wird ein Dreiklang in Grundstellung  gebildet, das sind zwei Terzen übereinander geschichtet. Wir können dafür nur die leitereigenen Töne verwenden.

Es entstehen die Stufendreiklänge, welche unterschiedlich sind, aber in gewissen Zusammenhängen zueinander stehen.
Stufe I und VIII sind um eine Oktave versetzt, aber sonst gleich. Es handelt sich um die tonale Grundstufe, also Basis der Tonart.
Die Stufen II bis VII haben ebenfalls bestimmte Eigenschaften, die wir im Folgenden herausbekommen wollen.

Teil 2: Parallele Dreiklänge

Ein paralleler Dreiklang ist eine Kleinterz-Verwandtschaft mit 2 gleichen Tönen.

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Teil 3: Eigenschaften der Stufen

Wie bereits erwähnt, bildet die I. (und VIII.) Stufe die tonale Basis der Tonart.
Die Eigenschaften der anderen Stufen sind nun in Bezug auf diese Basis zu betrachten. Dafür muss man sich die Dreiklänge nacheinander anhören.

Daraus ergeben sich schon einmal folgende Kombinationen der Stufen:
I – IV – I
I – V – I
I – IV – V – I
I – VII – I
I – IV – VII – I
I – V – VII – I
I – IV – V – VII – I
Das Grundprinzip ist dabei immer:
ausgehend vom Grundzustand wird eine harmonische Spannung aufgebaut, welche letztendlich aufgelöst wird, vorher aber verstärkt werden kann.

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Teil 4: Die Kombination der Stufen


In Teil 3 haben wir ein paar einfache harmonische Grundstrukturen kennengelernt. Diese können für sich als abgeschlossene Einheit stehen, aber auch miteinander kombiniert werden und somit eine längere Einheit bilden.

Ein Beispiel:
I-IV-I – I-V-I – I-VI-V-I

Die Stufe I muss dabei zwischendurch nicht unbedingt wiederholt werden.
Das konnte man schon bei dem Lied „Alle Vögel sind schon da“ sehen.
Dort hiess es:
I-I-IV-I-VII-I-V-I

Eine in sich abgeschlossene, harmonische Einheit nennt man: Kadenz.
Das Grundmodell, welches einem in der Musik besonders häufig begegnet, lautet:
I-IV-V-I

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Teil 5: Eine Kadenz mit Parallelen

In Teil 4 haben wir durch Kombination der Stufen I, IV, V, und VII harmonische Einheiten, genannt: Kadenzen gebildet.

Nun kommen die parallelen Dreiklänge hinzu.
Wir haben gelernt:
Stufe II ist die Parallele zu Stufe IV
Stufe III ist die Parallele zu Stufe V
Stufe VI ist die Parallele zu Stufe I bzw. VIII

Die Parallelen werden zunächst einmal als Stellvertreter ihrer Ausgangsdreiklänge verwendet, sind aber auch in Kombination
mit diesen möglich.
Ein Beispiel:
I – II – V – I

oder I – IV – II – V – I

 

Es ist zu beachten: die Kombination V-III-I klingt in einer Dur-Kadenz meist nicht überzeugend und sollte lieber als III-V-I verwendet werden.

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Teil 6: Kennzeichnung der Umkehrungen


Jeder der bekannten Stufendreiklänge kann in den drei Stellungen vorkommen:
Grundstellung, 1. Umkehrung und 2. Umkehrung.
Alternative Bezeichnungen:
Terz-Quint-Akkord, Sext-Akkord, Quart-Sext-Akkord.
Um dies zu kennzeichnen, verwendet man eine Ziffer unter der Stufe für den tiefsten Ton, denn wie wir bei der farbigen Darstellung oben sehen können, bestimmt die Stellung eines Dreiklanges, welcher Ton unten liegt.
3 steht für die Terz, 5 für die Quinte. Keine Ziffer bedeutet Grundstellung.

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Teil 7: Der vierstimmige Satz

Der vierstimmige Satz erweitert unsere Dreiklänge um einen zusätzlichen Ton.
Er ist das Standardmittel der Musiktheorie.


Die Notation des vierstimmigen Satzes erfolgt in der Regel in zwei Zeilen, wobei die obere im Violinschlüssel und die untere im Bassschlüssel steht.
Wir können hier zwei Schreibweisen wählen. Im engen Satz stehen in
der oberen Zeile drei Noten, in der unteren nur eine. Beim Choralsatz schreibt man je zwei Noten in eine Zeile. Das Beispiel zeigt das Kadenz-Grundmodell in C-Dur.


Die Position jeder der Töne wird nach den vier Hauptstimmlagen der menschlichen Gesangsstimme benannt:
Sopran – Alt – Tenor – Bass (Abkürzung S – A – T – B)

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Sehr wichtig: die Stellung wird durch den Basston definiert.
Grundton im Bass = Grundstellung
Terz im Bass = Sextakkord bzw. 1. Umkehrung
Quinte im Bass = Quart-Sextakkord bzw. 2. Umkehrung

Teil 8: Die Lagen

Um die Verwirrung komplett zu machen, kommen nun zu den Umkehrungen
die sogenannten Lagen, die durch den obersten Ton bestimmt werden.

Bei der Oktavlage liegt der Grundton oben.
Bei der Quintlage liegt die Quinte oben.
Bei der Terzlage liegt die Terz oben.

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Teil 9: Zusätzliche Töne

Bei einigen Stufen der einfachen Kadenz kann man den Dreiklang durch einen zusätzlichen Ton erweitern. Dies muss ein leitereigener Ton sein, er muss also in der Tonleiter der Grundtonart vorkommen.


Der erste wichtige Akkord mit einem zusätzlichen Ton ist
auf der vierten Stufe. Diesem Dreiklang kann man eine Sexte hinzufügen.
Der Akkord kommt auch in einer Form ohne Quinte vor.
Man muss dann aus dem Zusammenhang erkennen,
dass es sich um die vierte und nicht um die zweite Stufe handelt.

Im Zusammenhang kann dies so aussehen:

Desweiteren fügt man häufig der fünften Stufe eine Septime hinzu.

Wie man sieht, entspricht dies einer Kombination der
fünften mit der siebten Stufe. Daher unterscheidet
man später nicht mehr zwischen V und VII.

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Teil 10: Einfache Stimmführungsregeln

Um einen gut klingenden, ausgewogenen vierstimmigen Satz zu schreiben, ist die Beachtung bestimmter Regeln für die Fortschreitung der einzelnen Stimmen hilfreich.

Einige wichtige Grundregeln lauten:
-Gleiche Töne bleiben liegen.
-Grosse Sprünge, besonders schwer spielbare bzw. singbare, sind sehr sparsam zu verwenden.
-Der kürzeste Weg wird bevorzugt.
-Das Fortschreiten zweier oder mehrerer Stimmen im Quintabstand ist zu vermeiden. Diese soganannten Quintparallelen verschlechtern die Wirkung des Satzes. Gleiches gilt auch für die Stimmfortschreitung im Oktavabstand (Oktavparallele). Am Besten vermeidet man diese unerwünschten Quint- und Oktavparallelen durch die Gegenbewegung der Stimmen.

-Stimmkreuzungen, das heisst das Über- oder Unterschreiten der nächst-höheren bzw. nächst-tieferen Stimme, nur sehr sparsam oder gar nicht verwenden.
-Muss ein Ton verdoppelt werden, wird der Grundton bevorzugt. Geht dies nicht, verdoppelt man die Quinte. Nur in seltenen Fällen, wenn andere Stimmführungregeln dies erfordern, wird die Terz verdoppelt.
Die Verdopplung der Terz in den Aussenstimmen sollte jedoch ganz vermieden werden.
-Muss ein Ton weggelassen werden, so bietet sich als erstes die Quinte an.

– Wird die Stufe V mit einer Septime verwendet, so wird diese schrittweise nach unten aufgelöst in die Terz des folgenden Akkordes.
– Der siebte Ton der Dur-Tonleiter wird Leitton genannt. Er ist kommt als Terz der V. Stufe vor und schreitet im Halbtonschritt nach oben weiter.

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