Zu unrecht vergessene Komponisten

Zu ihrer Zeit berühmt, heute eher unbekannt: so erging es vielen verdienten Komponisten im Laufe der Geschichte. Wir heute leben in einer Zeit, in der etliche Musiker, Institutionen und Ensembles daran arbeiten, vergessene Werke wiederzuendecken, aufzuführen, herauszugeben und einzuspielen.
In weiten Teilen vernetzte und digitalisierte Notenarchive machen dies heute etwas einfacher als noch vor 20 Jahren. Am Schattendasein vieler Namen, trotz der Wiederentdeckung einiger echter Meisterwerke, ändert dies dennoch erstaunlich wenig. Die „vergessenen“ haben es schwer, Gehöhr zu finden, geschweige denn einen dauerhaften Platz neben den im Konzertbetrieb etablierten Komponisten zu behaupten.

Sicher gibt es auch sie, die kleinen, „zu recht vergessenen Meister“, die solide und auch gefällige Gebrauchsmusiken und Gelegenheitswerke schufen, welche jedoch in Originalität und Bedeutung nicht soweit hervorstechen (gelegentlich lassen sich aber auch hier kleine „Perlen“ finden!), als dass sie einem zu recht als köstliche Rarität vorgelegt werden.

Hier soll es aber um echte Schwergewichte gehen, schöpferische Genies und Stars ihrer Epoche, deren Werk in nennenswertem Umfang die Merkmale Originalität, Eigenständigkeit, handwerkliche Qualität und Ausdruckskraft aufweist. Sie übten wesentlichen Einfluss auf andere Komponisten auf, was Ihnen nicht zuletzt musikgeschichtliche Bedeutung verleiht.
Ein gutes Beispiel im Grenzbereich wäre Telemann. Nach seinem Ableben lange Zeit als belangloser Vielschreiber verpönt, gilt er heute als rehabiliert und wird wieder als der grosse Meister anerkannt, der er war. In Konzert- und Opernsaal ist er dennoch nicht allzu präsent.

Warum sind sie dann in Vergessenheit geraten? Darüber kann man nur spekulieren, und die Gründe sind wohl vielfältig. Der sich ändernde Zeitgeschmack spielt sicher eine Rolle. Der ein oder andere Komponist fiel aus verschiedenen Gründen bereits zu Lebzeiten in Ungnade. Nicht zu unterschätzen ist auch die Fähigkeit der Selbstdarstellung, die Verbreitung und der Druck ihrer Noten, ihre Korrespondenz und sonstigen Ämter, also einfach: deren Marketing. An Höfen angestellte Kapellmeister konnten jedoch mitunter recht isoliert von der sonstigen Musikwelt sein. Ein weiterer, offensichtlicher Grund ist, dass bei vielen Komponisten ein Grossteil Ihres Schaffens verlorenging, so dass es schlicht wenig wiederzuendecken gibt. Diese Betrachtung könnte Gegenstand eines gesonderten Beitrages sein und soll daher hier nicht weiter verfolgt werden.

Gesagt werden soll aber durchaus noch, dass auch das heutzutage als Mass aller musikalischen Dinge gefeierte „Dreigestirn“ Bach-Mozart-Beethoven nicht isoliert, sondern nur im Kontext mit den anderen grossen Meistern, deren gegenseitiger Einfluss offenkundig ist, realistisch betrachtet werden kann.

Hier nun einige der Komponisten, die zu unrecht in Vergessenheit geraten sind. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ist nicht chronologisch in Zeit und Wertung und stellt die subjektive Meinung des Autors dar.

Gottfried Heinrich Stölzel (1690-1749)
-Hofkapellmeister in Gotha
-sehr umfangreiches Kantatenschaffen, Passionen, Opern, Instrumentalmusik
-ein grosser Teil seiner Werke gilt als verschollen
-melodischer Stil, originelle Wendungen, farbige Instrumentierung

Christoph Graupner (1683-1760)
-Hofkapellmeister in Darmstadt
-umfangreiches Kantatenschaffen, Opern, Solokonzerte, Sinfonien, Klavierstücke
-sehr eigenständiger, teils eigenwilliger Stil, unerwartete Wendungen

Friedrich Kuhlau (1786-1832)
-Hofkomponist in Kopenhagen
-war bekannt als Opernkomponist
-gilt als eine der wichtigsten Figuren der dänischen Musikgeschichte
-heute kennt man meist noch seine etlichen Klaviersonaten und Flötenstücke
-viele seiner Noten sind einem Brand zum Opfer gefallen
-lyrisch-melodischer Stil, Ähnlichkeiten mit dem im selben Jahr geborenen C.M. von Weber

Paul Dukas (1865-1935)
-Kompositionslehrer, Musikkritiker
-nicht eigentlich ein vergessener Komponist; sein „Zauberlehrling“ ist vielgespielt und verrät seine Meisterschaft; abgesehen davon aber
wenig bekannt
-es sind kaum Werke von ihm erhalten, da er die meisten selbst vernichtet hat

Reinhard Keiser (1674-1739)
-berühmter und einflussreicher Opernkomponist
-an der Hamburger Oper spielten unter seiner Leitung u.a. Händel, Telemann, Graupner und Molter

Johann Rosenmüller (1617-1684)
-hauptsächlich geistliche Vokalwerke, einige Instrumentalstücke
-wirkte zunächst in Leipzig; seine dortige Karriere wurde durch einen Prozess beendet, weil er sich Chorknaben unzüchtig genähert haben soll;
er foh nach Venedig
-in Italien zweite Karriere, war dort sehr angesehen
-„zu unrecht vergessen“ bezieht sich nur auf seine Musik

Carl Heinrich Graun (1704-1759)
-galt als einer der bedeutendsten Opernkomponisten, viele seiner Zeitgenossen sahen in ihm einen der grössten Komponisten aller Zeiten; wird heute so gut wie gar nicht mehr aufgeführt

Johann Simon Mayr (1763-1845)
-in Italien, wo er hauptsächlich wirkte, eher bekannt
-berühmter Opernkomponist, auch umfangreiches Kirchenmusikwerk sowie Kammermusik
-viele seiner Arien sind mit einem obligaten Instrumentalsolo versehen, zB. Klarinette oder Horn

Johann Friedrich Fasch (1688-1757)
-Hofkapellmeister in Zerbst
-sehr geschätzer Komponist von Instrumentalmusik, Opern und Kantaten


Famous in their time, but mostly forgotten today – this is the fate many a truly creditable composer happened to suffer throughout history.
Today plenty of ensembles, musicians and institutes make it their task to rediscover unknown or lost works of music, putting a lot of effort in editing, publishing and performing those. Digital and online resources of libraries and archives make it a lot easier to do so than just 20 years ago.
Still, however committed these efforts are, it does change surprisingly little for the reputation of the long gone authors and their presence in our concert halls, despite the more than occasional find of real masterpieces.

To be sure, they do exist – the infamous ’small and rightly forgotten masters‘ every musician dreads when presented with a ‚delightful rarity‘ he has never heard of.

But the issue here will be the real heavyweights, creative geniuses and stars of their epoch, whose compositions are characterised by originality, uniqueness, workmanship and expressiveness. They gained historical significance by the influence they had on the music scene and other notable composers during their lifetime.

An example in between would be Telemann. After his death, he has been deprecated as an irrelevant, mass producing and trivial scribe for a long time, whereas today rehabilitated, he is widely recognised the musical mastermind he was. His works are not performed very extensively, though.

So, if they where so great, why are they forgotten at all ?
There are numerous reasons to speculate upon, for sure.
Changing Zeitgeist, the prevailing taste, might be one. Some composers simply fell out of favour for different causes. Also the ability to promote themselves and their scores with publishers, courts and people, in short: their marketing, is not to be underestimated. A composer employed in a provincial or secluded courtyard could be very isolated from the remaining musical world.
Another, obvious reason, is the fact, that many oeuvres are lost or destroyed by fires, accidents, wars and so on, which leaves very little to be rediscovered in the first place. This observation could be the subject of its own article, so we leave it here for now and have a look at some examples. One thing remains to be said, though; the well-established names, including the measure-of-all-things triumvirate Bach-Mozart-Beethoven, can only be viewed and understood in context with the other composers they knew and were influenced by.

Here is a short list of composers, wrongly forgotten and worth investigating further. The list is non-chronologic, makes no claim to be complete and is solely the opinion of the author of this article.

Gottfried Heinrich Stölzel (1690-1749)
-Hofkapellmeister in Gotha
-very productive, numerous cantatas, some operas and instrumental music
-the major part of his oeuvre is lost
-melodic, colourful style, inventive with original phrases

Christoph Graupner (1683-1760)
-Hofkapellmeister in Darmstadt
-extensive sacred works, plenty of cantatas, concertos, symphonies and operas; also piano music
-very individual style, with some unexpected turns and passages

Friedrich Kuhlau (1786-1832)
-Hofkomponist in Copenhagen
-was a known composer of operas
-is deemed to be one of the most important figures in Danish music
-today his piano sonatas and pieces for flutes are more commonly known
-most of his works are lost to a fire
-lyrical and melodic style, some similarities with same year born
C.M. Weber

Paul Dukas (1865-1935)
-teacher of composition, music critic
-not actually forgotten; his „Sorcerer’s Apprentice“ is widely performed and shows his mastery; besides that particular work largely unknown, though
-only a few works remain, because he destroyed the most part of his oeuvre himself

Reinhard Keiser (1674-1739)
-was a very famous and influential opera composer
-at the Hamburg opera house, under his direction, performed names like Händel, Telemann, Graupner and Molter

Johann Rosenmüller (1617-1684)
-mainly sacred, vocal music, some instrumental pieces
-first career in Leipzig; he escaped to Venice from a trial, where he was accused of lewd conduct with choir boys
-second career in Italy, his compositions were very respected there
-„wrongly forgotten“ refers to his music only

Carl Heinrich Graun (1704-1759)
-was one of the most eminent opera composers, some contemporaries even called him one of the greatest composers of all times; today his works are rarely performed

Johann Simon Mayr (1763-1845)
-more known in Italy, where he mainly operated
-famous opera composer, also numerous sacred works and some
chamber music
-many of his arias are accompanied by obbligato solo instruments,
like clarinet or horn

Johann Friedrich Fasch (1688-1757)
-Hofkapellmeister in Zerbst
-very respected composer of instrumental music; wrote also many cantatas and operas